Mach es nicht:
Das "silent treatment" wird deine Beziehung beschädigen.
Bis dein Partner nicht mehr selbstbewusst genug ist, Bedenken zu äußern, und deine Beziehung verkümmert? Ziehst du dich von den Menschen, die du liebst, zurück, bis sie eines Tages verschwunden sind? Eine ungünstige Form der Beziehungsgestaltung, die geradewegs ins Unglück führt.
Was ist schlimmer, magst du dich fragen, jemanden anschreien und in der Wut verletzende Dinge sagen, die du später bereust? (Lies hierzu gerne auch meinen Artikel über Wut)
Oder sich gekränkt zurückziehen und mit kaltem Schweigen strafen? "The silent treatment", wie es im Englischen heißt. Wenn dir jemals jemand, der dir wichtig ist, die kalte Schulter gezeigt hat, weißt du, wie schmerzhaft das ist. Die meisten wissen dies nicht oder machen es sich nicht richtig klar, jedoch:
"Silent treatment" ist eine Form von emotionaler Gewalt.
Es gibt einen besseren Weg, als einfach zu schweigen. Das Schweigen ist ein Bewältigungsmechanismus. Womöglich wolltest du dir und deinem Partner Schlimmeres ersparen, wie eine große Explosion, in der Hoffnung, dass das Ignorieren irgendwie freundlicher ist. Das Ignorieren ist jedoch genauso aggressiv wie schreien, es verletzt, es verunsichert zutiefst, wenn jemand nicht mit dir sprechen will. Wenn es sich dann auch noch über Stunden und Tage hinzieht, wirkt das Schweigen ebenso beziehungszerstörend wie Wutausbrüche.
Schweigen kann eine Reaktion sein auf echte oder wahrgenommene Kritik sein. Menschen hassen Kritik. Abgesehen davon kann es sich für manche allerdings so anfühlen, als ginge es um Leben und Tod und nicht um eine harmlose Meinungsverschiedenheit. Eine komplexes Trauma kann ebenso Hintergrund sein wie eine Kindheit mit wenig Beziehungssicherheit. Eine kritische Bemerkung lässt alte Verlassenheits- und Ablehnungswunden aufleben, die Gefühle geraten außer Kontrolle. Für dein Gegenüber aber wirkt deine Reaktion nicht nachvollziehbar und verstörend, dein Trauma wird gewissermaßen weitergereicht.
Diese Strategie ist denkbar ungünstig, um eine gesunde und stärkende Beziehung zu führen.
Paare müssen miteinander sprechen.
So bleibt die Verbindung am Leben. Wenn dein Partner/deine Partnerin nicht sprechen kannst, weil er/sie befürchtet, dass du ausrasten oder schweigen wird, wird er/sie auf Dauer Angst haben, ihre wirklichen Gefühle zu den Dingen zu äußern, sich um dich herumbewegen, wie auf einem Minenfeld, und ja, die Verbindung verkümmert. Um ein guter Partner zu sein, müssen wir jemand sein, mit dem man sprechen kann, selbst wenn die Person etwas Kritisches sagt.
Meine Vorschläge
Selbstregulierung
Jemand ist mit dir unzufrieden ist oder du bist mit jemandem unzufrieden. Ertrage es, auch wenn es sich einen Moment sehr schlimm anfühlt. Bleibe einen Moment bei dir mit deiner Aufmerksamkeit. Vielleicht kannst du erkennen, dass es sich bei dem Gefühl, das hoch kommt, um etwas Altes handelt, das sich in die Gegenwart drängt.
Mache dir klar, dass dies Gegenwärtige nicht angenehm ist, aber wenn dies dein Muster ist, ist es aller Wahrscheinlichkeit nach nicht das, für das dein Gefühl es zu halten scheint. Also kein Weltuntergang. Vielleicht kannst du dir einen Satz überlegen, der das Alte, Vernichtende in Frage stellt, neutralisiert. Dich erinnern, dass dies dein lieber Partner ist, von dem du eigentlich weißt, dass er dir nicht Böses will.
Also nicht schweigsam werden oder so tun, als ob nichts passiert sei, sondern bleibe im Gespräch, aber ohne zu deinem Bewältigungsmechanismus/ deiner Methode zu greifen, die zu einer Beziehungskrise führt. Du möchtest eine Strategie, die die Tür offenhält und die Verbindung zulässt. Wenn es dir gelingt, dich selbst zu regulieren, wird das Bedürfnis nach Schweigen und Bestrafen erheblich abnehmen. Unser schlimmstes Verhalten tritt auf, wenn wir dysreguliert sind.
Beobachte dich selbst
Bei einem Streit kommt dieses überwältigende Gefühl hoch und du bist sehr wütend und verletzt. Du möchtest Kontrolle darüber haben, was passiert. Vielleicht erhebt deine Partnerin ihre Stimme, oder du kannst an ihrem Gesichtsausdruck erkennen, dass ihr etwas nicht gefällt und dein Adrenalinpegel steigt – das ist das Signal, dass du dysreguliert wirst. Beginne, dich durch tägliche Beobachtung mit dir selbst in Verbindung zu setzen: Wann wirst du dysreguliert? Was löst es aus? Was sind die frühen Anzeichen dafür, dass du dysreguliert bist? Denn wenn du weißt, dass es passiert, kannst du einschreiten und Notfallmaßnahmen ergreifen.
Die Kunst, eine Pause einzulegen
Schritt eins: Bemerke, dass du dysreguliert bist. Schritt zwei: gönn' dir eine kleine Pause. Manchmal reichen 5 Minuten aus, um wieder zur Ruhe zu kommen. Du benötigst vielleicht eine halbe Stunde. Du benötigst vielleicht sogar länger. Aber das Wichtige ist, dir eine Pause zu geben, die du aktiv nutzt, um dich neu zu sortieren, ohne die andere Person zu verletzen. Sage, dass du eine Pause brauchst. Ich habe das Gefühl, ich komme gerade aus dem Tritt, kann ich mir x-Zeit nehmen, um mich zu sammeln? Du bittest um einen Gefallen. Du bist transparent. Du übernimmst Verantwortung (du sagst nicht "du hast mich total getriggert" – niemand möchte das hören, selbst wenn es wahr ist). Du gibst eine Zeit an, wann du zurückkommst. Wenn du mitten in einem Konflikt steckst, kann das Aussteigen für zu lange Zeit in deinem Partner das Gefühl auslösen, verlassen zu werden – denke daran, wir wollen nicht, dass sie sich verlassen fühlen, wir wollen, dass sie uns vertrauen, wir wollen, dass sie in Kontakt mit uns bleiben, denn so werden wir Nähe und Intimität aufbauen.
Validiere deinen Partner
Wenn es fünf Minuten sind, kannst du sagen: „Können wir hier in fünf Minuten wieder zusammenkommen und dieses Gespräch fortsetzen?“ Validiere sie: „Ich möchte dieses Gespräch wirklich führen, ich möchte hören, was du zu sagen hast, aber ich brauche ein paar Minuten (Stunden), um mich wieder zu sammeln, damit ich wirklich für dich da sein kann.“
Die meisten Menschen können dem zustimmen.
Was kannst du tun, um dich zu beruhigen?
Du kannst ein Blatt Papier nehmen und deinen Ärger aufschreiben. Es geht nicht darum, es den anderen lesen zu lassen, sondern darum, ihn rauszulassen, um ihm die Energie zu entziehen, ihm seine Monsterkraft zu nehmen. Selbst wenn es triftige Gründe gibt, sauer zu sein oder das Ergebnis deiner Gedanken sogar zu dem Schluss kommt, dass es besser für dich ist, dich von der Person zu distanzieren, wird alles, was du danach sagst, viel ruhiger sein und so, dass der andere zuhören kann.
Bestrafe niemals Menschen
Egal, was dir dein Trauma sagt, z.bsp - jetzt zeige ich ihm, wie sich das anfühlt, jetzt wird er sich für das, was er gesagt hat, entschuldigen, ich werde nicht mehr mit ihm sprechen. Das ist das Trauma, das spricht.