Was ist EMDR?
EMDR, "Eye Movement Desensitization and Reprocessing" ist ein effektives therapeutisches Verfahren zur Behandlung von Traumafolgestörungen. Zu keiner anderen Methode gibt es so viele evidenzbasierte Studien, die die Wirksamkeit bestätigen.
EMDR hilft, belastende Bilder, Gefühle, Körperempfindungeen oder Gedanken zu verändern, die tief in unserem limbischen System gespeichert sind. Oft ist uns nicht klar, dass die belastenden Inhalte Folge traumatischer Erfahrungen sind. Wenn ein äußerer Anlass (ein sogenannter Trigger) dazu führt, dass wir überflutet werden von starken, schwer aushaltbaren Gefühlen, wie seelischem Schmerz, Scham, Trauer, Wut, Ohnmacht, und unsere Reaktion überproportional zu dem Anlass ausfällt, ist dies ein Hinweis, dass wir unter den Folgen eines Traumas leiden.
Wie läuft EMDR ab?
Die Klientin/der Klient richtet im klassischen Setting den Blick auf die "winkende" Hand der Therapeutin, ihre Aufmerksamkeit ist zweigeteilt, einerseits im Außen bei der sich bewegenden Hand und gleichzeitig lässt sie/er assoziativ Gedanken, Gefühlen, inneren Bildern und Erinnerungen freien Lauf.
Man geht davon aus, dass das belastende "Material" auf diese Weise prozessiert wird und die destruktive Sprengkraft aus den Erinnerungen weicht. Es scheint sich um einen eigenständigen neurobiologischen Mechanismus zu handeln.
Probleme in der Beziehung? Vielleicht steckt ein Trauma dahinter!
Traumatische Erinnerungen können, ohne dass wir uns darüber bewusst sind, unser Leben und unsere Beziehungen sabotieren. Sie wirken in unsere Glaubenssätze und nähren irrationale Ängste und Blockaden. Sie steuern unsere Erwartungen und beeinflussen, wie wir die Welt interpretieren.
Wie EMDR und das Verständnis von Trauma meine Arbeit mit Paaren verändert hat
Die Methode ist ein echter Gewinn für mich. Sie hilft mir nicht nur, in viel kürzerer Zeit wesentliche emotionale Baustellen zu entdecken, sondern diese auch besser zu verstehen. Selbst wenn ich die Methode gar nicht wirklich anwende, sondern nur die Intension der Methode aufgreife, nämlich die Idee, dass es emotionale "Residualzustände" geben kann, die aus einer frühen Vergangenheit in die Gegenwart hineinwirken, und die nichts mit dem Partner an sich zu tun haben, lenkt meine Art zu arbeiten in eine andere Richtung. Mittlerweile bin ich überzeugt davon, dass bei schweren Beziehungsproblemen immer eine traumatische Prägung, meist aus der Kindheit, vorliegt bei mindestens einem der ParterInnen, wenn nicht bei beiden.
Die Beschäftigung mit einer Methode, die hilft Traumata zu behandeln, hat mich dazu geführt, die Rolle, die Traumata in Beziehungen spielen, neu zu überdenken. Vor allem die Arbeit von Katharina Klees "Traumsensible Paartherapie", (die u.a. ebenfalls EMDR nutzt), hat meine Auffassung von Paarproblemen um eine neue Dimension erweitert. Ich setze ganz bewusst die "traumasensible Brille" in meiner Arbeit mit Paaren auf und bin immer wieder überrascht über die Zusammenhänge, die sich hinter Beziehungsproblemen verstecken. Ungünstige Kommunikation, weil wir es nicht besser gelernt haben, auch das gibt es. Dann ist die Arbeit einfach. Hinter ungünstiger Kommunikation steckt aber meist mehr. Oft sind es die aversiven Erfahrungen, die uns in den frühen Jahren geprägt haben, die uns Schutzhaltungen einnehmen lassen. Das führt dazu, dass wir uns zuwenig oder zuviel abgrenzen, dass wir uns in überschießenden Emotionen verfangen und bekriegen. Wir wollen dem anderen alles recht machen und verlieren uns selbst dabei. Wir vergraben uns in Arbeit um Konflikte oder zuviel Nähe zu vermeiden. Wir können nicht loslassen, weil die Verlustangst uns fest im Griff hat, auch wenn die Beziehung längst keine mehr ist. Traumata aus der Kindheit halten uns davon ab, uns einzulassen auf nahe, belebende, sichere und befriedigende Beziehungen. Die EMDR-Gemeinde spricht von sogenannten Entwicklungstraumata, ich finde den Ausdruck "Beziehungstrauma" (relational trauma) von Patrick Teahan viel passender. Patrick Teahan ist ein amerikanischer Psychotherapeut, der sich auf Erwachsene mit Kindheitstraumen spezialisiert hat.
Ein anderer Begriff ist die "komplexe Posttraumatische Belastungsstörung" (k-PTBS). Dies bedeutet, die Traumafolgestörung resultiert nicht aus einem einmaligen Vorfall sondern aus dem fortgesetzten Einfluss emotionaler Überforderung. Das Aufwachsen mit traumatisierten Eltern führt sehr oft zur Weitergabe des Traumas an die Kinder. Ein wesentliches Symptom einer PTBS sind Probleme mit der sogenannten Affektregulation. Das bedeutet, starke, schwer aushaltbare Gefühle, wie Wut, Angst, Scham oder Trauer überfluten die Person, die Anlässe passen nicht recht zu der Intensität der Gefühle. Das wirkt sich aus auf die spätere eigene Beziehungsgestaltung.
Das perfide an einer Kindheits-Traumatisierung ist, dass die Quelle des Traumas gleichzeitig auch die wichtigste und engste Bezugsperson des Kindes war. Beziehung und Liebe ist also assoziiert mit potentieller Bedrohung. Dazu kommt, dass das Gehirn zum Zeitpunkt der Traumatisierung noch im Aufbau war und die frühen Belastungen sich tief in den Strukturen verankert haben.
Dass es soviel davon gibt, hängt nicht ganz unwesentlich mit unserer Geschichte zusammen, zwei Weltkriege, Flucht, der Faschismus und Völkermord, haben Generationen traumatisiert, die diese an ihre Kinder weitergeben. Die schwarze Pädagogik, eine Sammlung von Ideen, wie man besonders lieblos mit seinen Kindern umgeht, ist sicherlich ebenfals eine Follge von nichtverarbeitetem Trauma, wo Emotionen unterdrückt und in Schach gehalten werden sollen, anstatt das Schwere zu verarbeiten.
Aber auch Armut und Existenzangst, unsere Gesellschaft, die es Familien nicht immer einfach macht, sich adäquat um den Nachwuchs zu kümmern und gleichzeitig mitzuhalten im Kampf um Status und Redssourcen.
Das besondere an der Methode
Beim Erlernen der Methode konnte ich aus erster Hand beobachten, wie schnell EMDR auf das persönliche Wohlbefinden wirken kann. Ein herausragendes Merkmal von EMDR ist, dass der Prozess ohne das bewertende und analysierende Eingreifen des Therapeuten abläuft. Es ist weder eine detaillierte Schilderung des belastenden Ereignisses notwendig, noch werden Glaubenssätze direkt in Frage gestellt. Stattdessen entfaltet sich die emotionale Heilung direkt im Klienten, ohne dass eine bewertende Instanz von außen eingreift. Eine erste Erleichterung ist meist schon nach nur einer Sitzung spürbar.