Problem talk creates problems, solution talk creates solutions!
Dieser berühmte Ausspruch Steve de Shazers, einer der Begründer der "systemischen lösungsorientierten Kurztherapie", bekommt vor dem Hintergrund einer Studie diesen Jahres neues Gewicht.
Problemlöser, die sich intensiv mit einem Problem auseinandersetzen, bahnen ihre neuronalen Pfade im Gehirn, indem sie ihre Aufmerksamkeit auf das Problem richten. Dies ist hilfreich, da es unser Denken beim Lösen des Problems unterstützt. Das Fatale ist: Auch die Wahrnehmung des Themas als Problem wird gebahnt. Selbst wenn das Problem schon ganz oder teilweise gelöst wurde, die Wahrnehmung bleibt bestehen.
Nun haben die Forscher David Levrai und Daniel Gilbert von der Harvard Universität in einem Experiment herausgefunden, dass es sich tatsächlich um eine Eigenart der menschlichen Wahrnehmung handelt. Sie setzten die Probanden einem Stimulus ("Problem") aus, verbunden mit einer leichten Aufgabe:
Die Probanden sollten in einer Menge Punkte, die von leuchtend Blau bis leuchtend violett variierten, die blauen Punkte ausmachen und zählen.
Dies wurde über einen längeren Zeitraum wiederholt. Dann wurden die blauen Punkte reduziert. Nun rechneten die Probanden zunehmend auch violette Punkte mit ein. Dies geschah selbst dann, wenn die Versuchspersonen ausdrücklich darauf hingewiesen wurden, dass es weniger blaue Punkte geben würde. Auch eine in Aussicht gestellte Geldbelohnung konnte diesen Effekt nicht verhindern.
Bei einem Vergleichsexperiment wurde den TeilnehmerInnen statt Punkte Gesichter gezeigt. Gezählt werden sollten wütende Gesichter. Als es weniger davon gab, identifizierten sie auch neutrale Gesichter als wütend.
Sie zeigten, dass die Teilnehmer auf einen abnehmenden Stimulus („Problem“) reagieren, indem sie die Definition des „Problems“ erweiterten:
Selbst dann, wenn sich die Dinge zum Besseren wenden, wenn das Problem weniger häufig oder in geringerem Ausmaß auftaucht, bleibt diese Bahnung vorerst bestehen, und das Problem wird in gleicher Intensität wahrgenommen. Die Antennen zur Wahrnehmung des Problems werden feiner. Die Problemlöser fassen die Definition des Problems weiter, ohne dass sie sich dessen bewusst sind, und fühlen sich weiterhin aufgefordert, am Problem zu arbeiten.
In ähnlicher Weise erkannte der Philosoph und Psychotherapeut Odo Marquard diese Tendenz der Wahrnehmung schon in den 80er Jahren und nannte sie „das Gesetz der zunehmenden Penetranz negativer Reste“. Im Kern erkannte er etwas, das erst Jahrzehnte später im wissenschaftlichen Experiment nachgewiesen werden konnte. Er hatte die Ursache des Phänomens eher in moralischem Fehlverhalten gesucht, und sein Gesetz war bezogen auf gesellschaftliche Fortschritte.
Dieses Phänomen hat eine Vielzahl an Implikationen und mag erklären warum Leute, deren Job es ist, Probleme zu finden und zu eliminieren, oft nicht erkennen können, wann die Arbeit erledigt ist.
„Probleme, die wir bereits erfolgreich bekämpft haben, kommen uns vor, als ob sie nie verschwinden.“ (Silke Jäger)
Das haben auch die Entwickler der systemischen Therapie in den 70er Jahren erkannt. Anstatt das Problem zu analysieren, werden die Klienten eingeladen, ihr Augenmerk eher darauf zu lenken, an welcher Stelle sie jetzt schon Dinge so tun, dass es funktioniert oder wo sie jetzt schon das Problem gelöst haben. Hilfreich ist ebenfalls, sich bewusst zu machen, was in der Partnerschaft alles gut bewältigt wurde in der Vergangenheit und was jetzt schon gut funktioniert in der Gegenwart. „Problem talk creates problems, solution talk creates solutions.“ (Steve de Shazer)
Denn - Problembewusstsein hilft zwar, eine Lösung zu finden. Es kann aber auch durch zu langes Anhaften, zu chronischer Unzufriedenheit führen.