unfaire Kommunikation 

Warum hochemotionale Kommunikation keine gute Strategie für eine gelingende Beziehung ist

 

Du fühlst dich missverstanden. Nicht gewertschätzt. Gemein behandelt. Hilflos. Und da geht es mit Dir durch. Du fühlst dich unglaublich gekränkt und der gerechte Zorn steigt in dir auf. Der andere ist ein plumper Sack und ein A*#XL dazu. Du möchtest am liebsten einfach alles hinschmeißen. Aber vorher sagst du ihm (oder ihr) nochmal richtig die Meinung.

 Aber so richtig richtig. Nicht laut natürlich, sondern angesichts des Sachverhalts richtig nett eigentlich. Sind ja nicht bei den Hottentotten hier. Deutlich eben. Damit er es mal endlich kapiert. Muss man sich ja schämen, sich mit so einem überhaupt sehen zu lassen. Schon seit 10 Jahren sag' ich ihm ... und nichts. Kapiert es einfach nicht. Sieht er denn nicht, wie schlimm das ist? Wie unethisch! Er tut einfach allen Menschen weh. Und außerdem das ist gefährlich!! Was da alles hätte passieren können! Gemurmelte Beschwichtigungen deines Gegenüber nimmst du gar nicht erst zur Kenntnis, Versuche, dich zu bremsen erst recht nicht, im Gegenteil, jetzt kommst du gerade erst in Fahrt. Wie aus einem Vulkan bricht es aus dir heraus, du kannst gar nicht mehr aufhören, Vorwürfe über Vorwürfe. Weil nämlich, es geht nicht nur um diese eine Sache, sondern außerdem war da noch der Vorfall von letzter Woche, auf den du jetzt noch mal ausdrücklich hinweisen möchtest und nicht zu vergessen, letztes Jahr ... Am liebsten möchtest du alles hinschmeißen. Soll er doch alleine klarkommen. Ich gebe mich dafür einfach nicht mehr her. 

Wenn ihr Gegenüber es wagt, Ihnen Einhalt zu gebieten, riskiert er in diesem Szenario damit, dass Sie einen Schlussstrich ziehen. Ein solches "Gespräch" dient in erster Linie als Ventil für Ihre Frustration, aber auch als Schutzstrategie für Ihre eigene Verletzlichkeit. Sie haben recht und an Ihrer moralischen Überlegenheit gibt es weder Zweifel noch Diskussion. 

Eine Chance zu echtem Austausch und konstruktiver Verständigung gibt es nicht. Die Kommunikation bricht ab und beide fühlen sich immer elender miteinander.

Erkennen Sie sich in diesem Szenario eines "emotionalen Ausrasters" wieder? Oder Ihre/n PartnerIn?

Streit zermürbt. Streit verletzt. Streit hinterlässt Narben.

Bei Beiden.

 

Ein heftiger Streit sollte immer als "unglücklicher Zwischenfall" gesehen werden - nicht als Mittel der Wahl um Konflikte zu klären. Diese Art von Streit ist weder normal noch "gehört es dazu." Sollten die Zwischenfälle trotz aller Anstrengung keine Ausnahmen bleiben, holen Sie sich unbedingt Hilfe!

 

Wut schützt bestehende Beziehungsdynamiken

Ob Sie Ihre Wut nun über Streit, Beschuldigungen oder Schweigen und emotionale Distanzierung ausagieren, spielt bei der Problemlösung keine Rolle: Meist wird so nichts gelöst. Bestehende Dynamiken werden eher aufrechterhalten.

Die hochemotionale Auseinandersetzung ist Kampf, echte Auseinandersetzung mit Themen findet nicht statt. Beschuldigungen, verbale Angriffe führen zu Gegenangriffen und Rechtfertigungen.

Das Nervensystem versetzt sich in den Kampf-Flucht-Modus, ein Zustand, in dem weder Empathie noch kreatives Lösungsdenken möglich ist. Verständnis füreinander und Nachdenken über Lösungen sind blockiert. Rein biologisch ist unser Gehirn gar nicht in der Lage dazu in einem solchen Zustand.

 

 

 Beleidigtes Schweigen ist eine Form von emotionaler Gewalt

Was ist schlimmer, mögen Sie sich fragen, jemanden anschreien und verletzende Dinge sagen, die einem später leid tun oder sich gekränkt zurückziehen und schweigen? "Give the silent treatment", wie es im Englischen heißt.

Die meisten wissen dies nicht oder machen es sich nicht richtig klar, aber wer jemals erfahren hat, wie ein Mensch, der einem etwas bedeutet, sich abwendet, schweigt und einem die kalte Schulter zeigt, der weiß, wie schmerzhaft sich das anfühlt. Diese Art von Schweigen ist eine Form von emotionaler Gewalt.

Wenn einer permanent ausrastet, egal ob in Form von Wut oder beleidigtem Schweigen, wird der andere Angst bekommen, offen mit dem Partner zu reden, die Beziehung leidet.

Um eine gute PartnerIn zu sein, muss ich jemand sein, mit der man reden kann, die zuhört, auch über schwierige Themen.

 

Die Wut "unterdrücken"?

Man könnte meinen, Wut unterdrücken sei furchtbar ungesund. Was genau ist denn gemeint mit "Wut unterdrücken"?  Wer von unterdrückter Wut spricht, meint meist übertriebene Nachgiebigkeit, gute Miene zum bösen Spiel machen, die eigenen Bedürfnisse ignorieren, gute Laune und Mitgefühl vortäuschen, anderen gegenüber freundlich tun, obwohl dies im Widerspruch zur tatsächlichen Stimmung steht.

Darum geht es nicht.

Wenn der Ausweg nur in Unterordnung oder unter den Teppich kehren besteht, kann dies keine Lösung auf Dauer sein. Über kurz oder lang laden Sie sich Groll, Widerwillen und Ressentiments in Ihre Beziehung ein, die wie die Haie dicht unter der Oberfläche schwimmen und nach jedem unschuldigen Surfer schnappen. Es sind nicht nur die Ressentiments Ihres Partners, auch Ihre eigenen, denn Abschotten, Aussitzen und Dichtmachen Ihres Gegenübers führt nicht zu emotionaler Abstimmung und Verbundenheit. Sie entfremden sich nach und nach.

Worum geht es dann?

Für die "Problemstreiter" geht es um "Selbstregulierung" und dabei klar sagen was man möchte. Ein Gefühl dafür entwickeln, in welchem Zustand ich gerade bin anstatt ungefiltert aufbrausen (oder nachgeben). Für das eigene einstehen, präsent sein und im Notfall lieber abbrechen.

Problematisch streiten ist kein angeborener Charakterfehler sondern eine unglückliche Lernerfahrung.

Dies kann auch wieder umgelernt werden.

Hintergründe zum Ausrasten

Schweigen ist ein Coping-Mechanismus. Womöglich wollten Sie sich und Ihrer Partnerin Schlimmeres ersparen, eine große Explosion vermeiden. Aber im Grunde sind die Emotionen und die innere Erregung ähnlich intensiv. Wenn es sich dann auch noch über Stunden und Tage hinzieht, wirkt das Schweigen ebenso aggressiv und beziehungszerstörend wie Wutausbrüche.  Eine posttraumatische Belastungsstörung kann ebenso Hintergrund sein wie eine Kindheit mit wenig Beziehungssicherheit. Eine kritische Bemerkung und das Nervensystems reagiert über, alte Zurückweisungs-Wunden und Verlassenheitsängste werden getriggert und es fühlt sich an, als ginge es um Leben und Tod. Tatsächlich schaltet das Autonome Nervensystem um vom Parasympatikus in den Sympatikus - Modus, den Kampf-Flucht-Erstarrungsmodus, bei dem eine Art Überlebensenergie freigesetzt wird.

Gestützt wird das ganze oft mit einem bestimmten "kognitiven Überbau", vor allem moralische Anschuldigungen befeuern die eigene Empörung. Typische Sätze sind:

  • Er/sie verhält sich respektlos!
  • Er/sie denkt nur an sich!
  • Er/sie lügt!
  • So etwas tut man nicht!
  • Das gehört sich nicht!

Und dem Wunsch den anderen zu bestrafen: Der werd' ich's zeigen, das wird ihm noch leid tun, soll er mal sehen...

Hier ist meine Empfehlung:

 

01 Bestrafen

Tun Sie's nicht! Aus dem Bestrafungswunsch spricht das Trauma: Hören Sie nicht darauf. Erliegen Sie nie der Versuchung, andere zu bestrafen!

 

02 Die Kunst der Pause

Bleiben Sie offen für Kommunikation. Wenn Sie sich zu überwältigt von Ihren Emotionen fühlen, bitten Sie um eine Pause. Aber verschwinden Sie nicht einfach wortlos. Machen Sie einen Zeitpunkt aus, wann Sie wieder bereit sind zu sprechen. Signalisieren Sie Ihrer Partnerin, dass Sie ihr Anliegen ernst nehmen, dass Sie aber einen Moment brauchen, um sich zu sammeln. Dieser Moment kann 5 Minuten sein, eine halbe Stunde und vielleicht möchten Sie erst am nächsten Tag nochmal darüber sprechen.

Ebenso können Sie eine "inhaltliche Pause" machen: Wechseln Sie das Thema, machen Sie etwas anderes, vertagen Sie das Thema auf einen späteren (definierten) Zeitpunkt.

 

03 Das Nervensystem regulieren

Entwickeln Sie Achsamkeit für Ihr Nervensystem, finden Sie heraus, was Ihre Trigger sind und entwickeln ein Gefühl dafür, wenn Sie sich Ihrer Toleranzschwelle nähern, sodass Sie noch vor dem "Punkt of no Return" abbrechen können.

 

 

 

 

 

 

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